Berufsbezogene Beurteilungskriterien Berufsunfähigkeitsversicherung
Zu den berufsbezogenen Beurteilungskriterien der Berufsunfähigkeit (BU) gehören allgemeine Faktoren der Berufsausübung. Jede Arbeit und Tätigkeit wird durch ganz individuelle und charakteristische Anforderungen und Beanspruchungen bestimmt. Hierzu zählen physische, psychische, sensorische und geistige Anforderungen einerseits (wie Krafteinsatz, allgemeine Belastbarkeit, Sehvermögen, Hörvermögen, wissenschaftliches Arbeiten, Fremdsprachenkenntnisse, verkäuferische Fähigkeiten, Zahlenverständnis, handwerkliche Erfahrung etc.), typisch arbeitsplatzbedingte Faktoren, Arbeitserschwernisse und Umwelteinflüsse andererseits (wie Tätigkeit im Freien, Bedienung von Maschinen, Schreibtischtätigkeit, Bildschirmarbeitsplatz, Lärm, Gase, Dämpfe, Staub, Rauch etc.).
Maßstab der Beurteilung ist dabei die zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalles ausgeübte Berufstätigkeit (BGH, 13.05.1987, VersR 1987, 753, 754). Die alleinige Berufsbezeichnung reicht für eine konkrete Beurteilung nicht aus. Die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit muss analysiert werden, um das individuelle Berufsbild zu ermitteln. Es kann bei der Prüfung der BU gem. § 2 der Bedingungen nicht von früheren Berufstätigkeiten und auch nicht von den im Versicherungsantrag angegebenen Berufstätigkeiten ausgegangen werden, sondern davon, welche Tätigkeit zuletzt ausgeübt wurde. Jedem Versicherungsnehmer obliegt es dabei, den konkret ausgeübten Beruf, der bestimmungsgemäß den Ausgangspunkt für die Beurteilung gesundheitlich bedingter BU abgibt, dazulegen und zu beweisen (BGH, 25.09.1991, VersR 1991, 1358, 1359).
Sind die nicht mehr beruflich ausübbaren Einzelverrichtungen für den ausgeübten Beruf so wesentlich und prägend, dass er im Ganzen nicht mehr sinnvoll ausgeübt werden kann, so ist von einer BU auszugehen. Die qualitative Einschränkung einer Berufsausübung kann mindestens 50% BU auslösen und dies selbst dann, wenn die weggefallenen Teiltätigkeiten nicht einen Anteil von 50% der ursprünglichen Arbeitszeit ausgemacht haben. Außerdem ist stets zu prüfen, ob noch eine andere Tätigkeit ausgeübt werden kann. Die Feststellung dieser anderen Tätigkeit kann nur unter Berücksichtigung dessen erfolgen, was unter Ausbildung und Erfahrung als Beteiligungspaar einerseits und/oder unter Kenntnissen und Fähigkeiten andererseits zu verstehen ist. Außerdem muss der Begriff Lebensstellung interpretiert werden:
- Ausbildung ist der Erwerb von charakteristischen Kenntnissen und Fähigkeiten im Laufe der Schulzeit und des sich daran anschließenden Berufslebens. Diese können durch ein Studium, einen geordneten außer- und innerbetrieblichen Ausbildungsgang oder durch ein mehr oder weniger qualifiziertes Anlernen erworben sein. In diesem Kontext ist auch die Ausbildung in einem früheren Beruf von Bedeutung.
- Erfahrung ergibt sich aus dem Umfang, in dem die aufgrund der Ausbildung erworbenen Kenntnisse in der praktischen Berufsausübung angewandt und umgesetzt wurden.
- Lebensstellung ist das berufliche Ansehen einerseits, aber auch Wertschätzung des Berufsstandes in der Gesellschaft, die Höhe der Einkommenserzielung und des davon direkt abhängigen Lebensstandards andererseits.
Entscheidend sind die im Zeitpunkt des Versicherungsfalles vorhandenen angeborenen oder später erworbenen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten, also die Handfertigkeit und Geschicklichkeit sowie das Fachkönnen. Hierzu hat der BGH einen zentralen Leitsatz für die Beurteilung der anderen Tätigkeit, als des Vergleichsberufes, entwickelt:
Ein Vergleichsberuf ist für den Versicherten erst mit der Tätigkeit gefunden, die ihn in seinen vorhandenen Kenntnissen, Erfahrungen und Fähigkeiten, die bestimmend für seinen konkreten Beruf und damit auch maßgebend waren für die erzielte Entlohnung, nicht in einer ins Gewicht fallenden Weise unter- oder überfordert (BGH, 22.09.1993, VersR 1993, 1472).
Das in der Vergleichstätigkeit erzielbare Einkommen darf nicht spürbar unter das Niveau des zuletzt erzielten Einkommens absinken (BGH, 17.09.1986, VersR 1986, VersR 1986, 1113, 1115).
Der BGH hält von festen Prozentsätzen wenig. Es liegt durchaus auf der Linie der BGH-Rechtsprechung, wenn Einkommenseinbußen von 30% und auch weniger als unzumutbar angesehen werden (so OLG Hamm, 05.06.1992, 1338, 1339 und OLG München, 08.05.1991, VersR 1992, 1339, 1342).
Für eine Verweisung auf einen Vergleichsberuf kommen nur solche Tätigkeiten in Frage, die im Arbeitsleben auch tatsächlich ausgeübt werden und in einem nicht geringfügigen Maße auch als Arbeitsplatz existent sind. Unerheblich ist allerdings, so der BGH, ob die Arbeitsplätze frei oder besetzt sind. Kein Kriterium für die Frage des Verweisungsberufes ist demzufolge die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Den Versicherern soll nicht die Übernahme des Rezessionsrisikos und der Massenarbeitslosigkeit mit geringem Stellenangebot übertragen werden (BGH, 05.04.1989, VersR 1989, 579, 580 und nochmals 07.07.1993, VersR 1993, 1220). Die Bedingungen verlangen nicht, dass der Versicherte im Falle seiner BU seine Berufstätigkeit aufgibt und nicht arbeitet (OLG Karlsruhe, 19.05.1982, VersR 83, 281).
Abgestellt wird allein auf die objektive Unfähigkeit, den ausgeübten Beruf oder eine Vergleichstätigkeit ausüben zu können. Der Versicherer darf dem Versicherten nichts Unzumutbares zumuten, was nicht ausschließt, dass der Versicherte sich selbst etwas Unzumutbares zumutet (Raubbauarbeit). Ob er allerdings dann einen Leistungsanspruch hat, hängt davon ab, ob er auf eine andere Tätigkeit verwiesen werden kann.
Folgende Berufe können nicht auf eine andere Tätigkeit als die ausgeübte verwiesen werden, sofern die genanten Klauseln im Versicherungsvertrag inbegriffen sind:
- Tätigkeitsklausel für Inhaber, Leiter und Mitarbeiter eines Unternehmens, die in ihrem Beruf sowohl kaufmännisch wie sportlich tätig sind. Es kann dann nur die kaufmännische Tätigkeit versichert werden.
- Fluguntauglichkeitsklausel oder loss of license-Klauseln für Piloten und Cockpit-Personal bei krankheitsbedingtem Lizenzverlust.
- Seedienstuntauglichkeitsklausel für Kapitäne und Seeoffiziere, falls diese wegen Seeuntauglichkeit von ihrem Patent keinen Gebrauch machen können.
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